Montag, 9. Februar 1998

9. Februar

"Es war einfach total geil."
Nils war der umschwärmte Mittelpunkt. Seine Augen glänzten und ich sah, wie er irgendwo im siebenten Ringerhimmel schwebte.

Blöderweise konnte ich ihn nicht vom Bahnhof abholen, denn erstens hatte er mir gar nicht gesagt, wann er überhaupt ankommt und dann hatte mich Doris gefragt, ob ich mit ihr in die Klinik komme um Lena abzuholen. Anscheinend konnten Clemens und ihre Eltern nicht oder vielleicht hatte sie auch einfach keine Lust, auf irgendwelche Diskussionen. Naja, dann also nach Der Schule in die Klinik, Papierkram, zu Doris nach Hause, Quatschen, mit Lena spielen. Dann zu mir, Sportsachen packen und dann noch fast eine halbe Stunde zu spät zum Training. Und so konnten wir uns gar nicht richtig begrüßen. Die ganze Szene kam mir so unwirklich vor.

Und ich mußte immer wieder daran denken, was wohl passieren würde, wenn Nils erfährt, dass ich am Samstag mit Marcel trainiert habe. Obwohl eigentlich, eigentlich hat er ja auch mit anderen Leuten am Wochenende gerungen, warum ich nicht auch? Ich merke, wie ich mir schon wieder irgendelche Sachen zurechtbastele. Na wenigstens trainierte Kevin mit Marcel heute richtig.

Dann endlich auf dem Heimweg: Allein mit Nils. Doch die Stimmung war immer noch seltsam. Nicht ganz so seltsam wie die Tage vor seiner Fahrt, aber es war nicht wie früher.
"Was hast du für ein Gefühl", wollte ich wissen?
"Ich weiß es nicht. Nein, es war auf jeden Fall toll, und ich glaube ich war nicht schlecht."
"Du bist nie schlecht", ich versuchte einen Scherz zu machen. 
"Es waren echt jede Menge Leute da, aus ganz Deutschland, aus Schifferstadt, Köllerbach, Luckenwalde..."
Ich frage mich, warum Ringen anscheinend immer nur an solchen komischen Orten populär zu sein scheint. Vielleicht weil es in dort außer dem Spielmannszug, der Freiwilligen Feuerwehr und dem Ringerverein nichts Spannendes gibt?
"Und bestimmt viele hübsche Jungs...", ich wußte nicht, warum mir das so rausgerutscht war. Nils blieb stehen, sein Redeschwall hatte aufgehört und er guckte mich an: "Warst du DESHALB so komisch in den letzten Tagen? Glaubst du ich bin wegen der anderen Jungs da hin gefahren?" Nein, das glaubte ich wirklich nicht. Ich weiß auch nicht, warum mir das so rausgerutscht war. Natürlich war es mir durch den Kopf gegangen, was Nils an den Abenden in Leipzig machte. Auf der anderen Seite wußte ich, daß er an diesem Wochenende kaum etwas anderes als Ringen im Kopf gehabt haben dürfte.
Statt zu antworten nahm ich ihn einfach in den Arm. Wieder einmal war es mir total egal, ob uns jemand sah. "Du hast mir gefehlt", flüsterte ich. 
"Du hast mir auch gefehlt."
Ein langer Kuß. Nils ist wieder da. Es ist wie immer!

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